Elementarschäden: Länder drängen auf Pflichtversicherung

11. Apr. 2023 – Der Bundesrat hat angesichts der Zunahme extremer Unwetter bei seiner Sitzung am 31.3.2023 einstimmig beschlossen, dass eine Elementarschaden-Pflichtversicherung bundesweit gelten muss. Die Bundesregierung soll jetzt ein Gesetz auf den Weg bringen. Die befürchtet eine zu hohe Belastung privater Hauseigentümer und Mieter.

Der Vorstoß sei in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation vollkommen unangebracht, sagte etwa die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Diese Pflichtversicherung würde die Kosten für Wohnraum erheblich erhöhen."

Die Belastung im Schadensfall sei um ein Vielfaches höher und könne – wie die Flut im Sommer 2021 gezeigt habe – teilweise sogar existenzbedrohend sein, schreibt wiederum die Länderkammer.

Pflichtversicherung: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

"Der Bundesrat stellt fest, dass die Versicherung von privaten Gebäuden gegen Elementarschäden noch nicht ausreichend ist und Handlungsbedarf besteht", heißt es in dem Beschluss. Bundesweit verfügt demnach nur rund die Hälfte der privaten Eigentümer von Wohngebäuden in Deutschland über eine Elementarschadenversicherung.

Die Einführung einer Versicherungspflicht innerhalb eines vom Gesetzgeber auszugestaltenden Korridors sei verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, geht es im Text weiter. Maßgebend sei die konkrete Ausgestaltung einer Versicherungspflicht durch den Gesetzgeber. Zuvor hatten die Justizminister der Länder geprüft, ob eine Versicherungspflicht verfassungsgemäß wäre und dies bejaht – "insbesondere wenn substantielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden, die zudem versicherungsinhärent zur Vermeidung von Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge sachgerecht erscheinen", berichtet der Bundesrat.

Der Beschluss der Länderkammer geht auf eine Initiative von Nordrhein-Westfalen (NRW) zurück. Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) erinnerte an die Hochwasserkatastrophe an der Ahr 2021 mit vielen Toten und immensen Sachschäden – auch an Immobilien.

Entschließung des Bundesrates "Bundesweite Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung"

Pflichtversicherung – was heißt das für Eigentümer?

Aus Sicht von Verbraucherschützern stellt eine Pflichtversicherung einen zu großen Eingriff in die Grundrechte dar. Auch bei verfassungskonformer Umsetzung hätte eine solche Pflicht laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) enge Grenzen.

Die Prämien für Elementarschadenversicherungen orientieren sich an der sogenannten Gefährdungsklasse des jeweiligen Gebäudes. In der niedrigsten Stufe gibt es Versicherungen für weniger als 100 Euro, wie aus Daten der Stiftung Warentest und Vergleichsportalen hervorgeht. In der höchsten Klasse können Prämien von mehreren hundert Euro pro Jahr anfallen. Oft übernehmen Versicherer demnach nicht das vollständige Risiko. Es könnten hohe Selbstbehalte anfallen.

Auch beim Risiko wird nach Gefährdungsklassen unterschieden. Beim Hochwasser landen beim GDV Häuser in Gegenden, in denen es mindestens einmal in zehn Jahren zu Hochwasser kommt, in der höchsten Klasse. Bei Starkregen werden Häuser im Tal in der Nähe eines Baches in die teuerste Klasse eingestuft. Wie hoch die tatsächlichen Mehrkosten für Eigentümer wären, hängt von der Ausgestaltung eines entsprechenden Gesetzes ab. Der GdV sprach sich dafür aus, bestehende Verträge zu einem Stichtag zu ergänzen und Neuverträge nur noch mit Elementarschutz anzubieten.

Gebäude: Warum Elementarschäden versichern?

Eine Gebäudeversicherung zahlt Sturmschäden am Haus, etwa abgedeckte Dächer, und kommt auch für Folgeschäden auf, wenn zum Beispiel durch das vom Sturm beschädigte Dach Regen eindringt und Wände oder Fußböden beschädigt werden. Schäden durch Grundwasser, Hochwasser oder Regen – wie vollgelaufene Keller – sind in der Regel nicht versichert. Nur, wenn auch Elementarschäden abgesichert wurden, besteht umfassender Versicherungsschutz.

Mit einer Elementarschadenversicherung können sich Hausbesitzer vor den finanziellen Folgen extremer Naturgefahren wie Starkregen, Überschwemmung oder Hochwasser schützen.

Die Ökonomen Clemens Fuest und Marcel Thum vom Ifo Institut sehen das Hauptargument für eine Pflichtversicherung im Samariterdilemma des Staates: Ist ein Elementarschaden eingetreten und sind die betroffenen Gebäude nicht versichert, werden Steuergelder locker gemacht. "In der Abwägung zwischen teurer Versicherung und dem Risiko, unversichert einen Schaden zu erleiden, fällt die Entscheidung oft gegen eine Versicherung aus", so Fuest und Thum – und das umso eher, je größer die staatliche Hilfe sei. Die Resilienz gegenüber Unwettern würde sich durch eine so ausgestaltete Pflichtversicherung erhöhen, meinen die Ökonomen.

Ampel-Partner FDP gegen Pflichtversicherung für Elementarschäden

FDP-Politikerin Helling-Plahr sagte der Zeitung, gerade jetzt verbiete es sich, Kosten für die Bürger künstlich zu erhöhen und ihr Leben damit auch langfristig teurer zu machen. Sie verwies darauf, dass die Versicherungsprämien an den stark steigenden Baukostenindex gekoppelt seien. Es sei naiv zu glauben, dass diese Prämien nicht auf die Mieter umgelegt würden. Die Menschen litten bereits jetzt unter der Inflation und den steigenden Mieten, insbesondere in Ballungsräumen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst scheine "hierfür kein Gespür zu haben".

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte sich zuletzt immer wieder gegen die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ausgesprochen.

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