EU-Sanierungspflicht: Kehrtwende in der Bundesregierung

02. Okt. 2023Das EU-Parlament hat im März die Sanierungsrichtlinie verschärft. Effizienzklasse "D" soll für jedes einzelne Gebäude Pflicht werden. Die Bundesregierung will nicht mehr mitmachen – obwohl Wirtschaftsminister Robert Habeck die Pläne angeschoben hatte.

Auf EU-Ebene steht eine Sanierungspflicht zur Debatte, auf deren Grundzüge sich das Parlament im März 2023 geeinigt hat. Unter anderem ist geplant, dass bis zum Jahr 2033 bei allen Gebäuden Energieeffizienzklasse "D" oder besser erreicht werden muss. Noch geht es um die Ausformulierung des Gesetzesentwurfs.

Nun will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von weiteren Verhandlungsschritten nichts mehr wissen, die er selbst angekündigt hatte,  wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" online (faz.net) berichtet. "Verpflichtende Sanierungen für einzelne Wohngebäude schließen wir aus", teilte sein Ministerium demnach mit.

Bereits nachdem die Pläne des EU-Parlaments im Frühjahr bekannt geworden sind, stellte sich Bauministerin Klara Geywitz (SPD) gegen die sogenannte Zwangssanierung. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte sie jetzt dem Bericht zufolge, es sei nicht zu unterschätzen, "was für einen Stress eine Sanierungspflicht bei den Menschen auslösen würde" – Eigentümer könnten finanziell, aber auch mit der Umsetzung der Baumaßnahmen massiv überfordert sein.

Geywitz schlägt Quartiersansatz vor

Geywitz schlug und schlägt den von der Wohnungswirtschaft geforderten Quartiersansatz als Alternative zu einem technischen Sanierungszwang für einzelne Wohnhäuser vor. Danach müsse nicht jedes einzelne Gebäude seinen CO2-Ausstoß senken, sondern ein Quartier insgesamt, also ein Stadtteil oder ein Dorf. "Das heißt: Die gut gedämmten Neubauten im Wohnviertel sorgen dafür, dass die Altbauten nicht sofort saniert werden müssen, weil nicht jedes Haus einzeln betrachtet wird", sagte die Ministerin.

Zudem will sie lieber erst im großen Stil sanieren. "Wenn wir schnell viel CO2 einsparen wollten, sollten wir nicht beim kleinen Häuschen auf dem Land anfangen, sondern zunächst die großen öffentlichen Bestände angehen", zitiert die Zeitung Geywitz. Dort sei das Potenzial viel größer.

EU-Parlament für Sanierungspflicht von Gebäuden

Das EU-Parlament stimmte am 14.3.2023 mit einer deutlichen Mehrheit für strengere Regeln bei der Reform der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) – konkret heißt das: Bis zum Jahr 2030 sollen alle Wohnhäuser mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 mindestens die mittlere Energieeffizienzklasse "D" erreichen.

Zum Vergleich: Bei den in Klasse "G" eingestuften Gebäuden handelt es um die 15 Prozent der ineffizientesten Gebäude eines Landes, Klasse "A" wäre top.

 Zum vom EU-Parlament angenommenen Text (PDF)

Neue und alte Gebäude: Das schlägt der EU-Rat vor

Das EU-Parlament hatte im März die Vorschläge des Ministerrats der Europäischen Union (EU-Rat) deutlich nach oben korrigiert. Der Rat einigte sich am 25.10.2022 in Bezug auf Neubauten darauf (allgemeine Ausrichtung), dass 2028 zunächst öffentliche Gebäude und ab 2030 alle Gebäude klimaneutral sein sollen. Ausnahmen soll es für historische Gebäude, Gebetshäuser oder Gebäude für Verteidigungszwecke geben.

Für den Bestand schlug der EU-Rat Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz vor. Diese Vorgaben würden auf Grundlage eines "nationalen Pfads" festgelegt werden – mit zwei Kontrollpunkten: Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des Wohngebäude-bestands soll bis 2033 mindestens dem Niveau der Energieeffizienz-klasse "D" entsprechen – und bis 2040 soll ein nationaler Wert erreicht werden, "der sich aus einer schrittweisen Verringerung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs von 2033 bis 2050 entsprechend dem Umbau des Wohngebäudebestands" in einen Net-Zero-Gebäudebestand ergibt.

Eine Sanierungspflicht für Wohnhäuser bis zehn Einheiten würde demnach erst einsetzen, wenn das Gebäude den Eigentümer wechselt. Der müsste dann innerhalb von fünf Jahren nach dem Kauf energetisch sanieren.

EU-Kommission: Zwangssanierung für ineffiziente Gebäude

Die Europäische Kommission (EU-Kommission) legte ihre Vorschläge für eine neue Gebäuderichtlinie am 15.12.2021 vor. Die Behörde riet ebenfalls zu einer Sanierungspflicht.

Bis spätestens 2030 soll kein Gebäude mehr der schlechtesten Effizienzklasse "G" angehören, heißt es in diesem Papier: 15 Prozent des Gebäudebestands mit der schlechtesten Energieeffizienz sollten bis zum Jahr 2027 von Klasse "G" auf mindestens Klasse "F" verbessert werden – bei Wohngebäuden entsprechend bis 2030. Bis 2033 sollte die Klasse "E" erreicht werden.

Die EPBD-Reform ist Teil des Klimapakets "Fit for 55", mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen.

European Green Deal: Das "Fit for 55"-Paket

Am 14.7.2021 veröffentlichte die EU-Kommission das "Fit for 55"-Programm mit zwölf konkreten Vorschlägen, wie sie die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 senken will. Das war der erste Schritt hin zum klimaneutralen Europa bis 2050 – und Teil der Umsetzung des Projekts "European Green Deal". Acht Gesetze müssen verschärft, vier neue beschlossen werden.

Als konkrete Maßnahmen wurden

  • das Emission Trading System (ETS), das den Gebäudesektor in ein separates europäisches Emissionshandelssystem einbezieht,
  • die Renewable Energy Directive (RED), die einen gemeinsamen Rahmen für die Förderung von Energien aus erneuerbaren Quellen vorgibt,
  • die Energy Efficiency Directive (EED) mit der Energieeffizienz als Zielwert,
  • die Effort Sharing Regulation (ESR), eine Richtlinie, die das Klimaziel 2030 anhand der Leistungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten verteilt, und
  • die Energiesteuerrichtlinie Energy Taxation Directive (ETD) genannt.

Mit dem  Sustainable Europe Investment Plan als Teil des European Green Deal hatte die EU-Kommission Anfang 2020 festgelegt, aus welchen Quellen der enorme Kapitalbedarf von rund einer Billion Euro für ein klimaneutrales Europa stammen soll.

Reform der Gebäuderichtlinie: Wie geht es weiter?

Mit der Abstimmung im EU-Parlament sind die Pläne noch nicht beschlossen. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen noch einen Kompromiss finden, bevor die Vorgaben in Kraft treten können. Die Verhandlungen der Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament ziehen sich in der Regel über mehrere Monate hin. Wird ein Kompromiss gefunden, müssen anschließend die EU-Staaten die Regeln in nationales Recht umsetzen.

Mit der Reform der EU-Gebäuderichtlinie werden auch Zeitpunkte festgelegt, bis zu denen Gebäude spätestens die Energiestandards erreicht haben müssen, um bis 2050 klimaneutral (Net Zero) zu sein. Auch mögliche Sanktionen für Immobilieneigentümer, die diese Ziele nicht rechtzeitig erreichen, werden dann im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht diskutiert.

 

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