Online-Eigentümerversammlung: Erste Lesung im Bundestag

24. Jan. 2024Eigentümerversammlungen sollen künftig auch vollständig online abgehalten werden können, wenn die Wohnungseigentümer dies mehrheitlich beschließen. Der Bundestag hat hierüber in erster Lesung beraten.

Der Bundestag hat am späten Abend des 18.1.2024 in erster Lesung über einen Gesetzentwurf beraten, der es ermöglichen soll, Eigentümerversammlungen vollständig online abzuhalten. Nach kurzer Debatte wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen.

 Video der Bundestagsdebatte vom 18.1.2024

Seit der WEG-Reform können die Wohnungseigentümer einzelnen Eigentümern zwar per Mehrheitsbeschluss ermöglichen, online an (Präsenz-)Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Die Möglichkeit, Eigentümerversammlungen vollständig online abzuhalten (digitale oder virtuelle Eigentümerversammlung), bietet das Gesetz bisher aber nicht.

Dies soll sich ändern. Der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, eine neue Beschlusskompetenz einzuführen. Demnach sollen die Wohnungseigentümer mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen die Möglichkeit rein virtueller Eigentümerversammlungen in ihrer Gemeinschaft beschließen können; die Erlaubnis soll auf einen Zeitraum von drei Jahren ab Beschlussfassung begrenzt sein.

Bundesrat fordert Änderung am Gesetzentwurf

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24.11.2023 zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Die Länderkammer lehnt es ab, dass die Wohnungseigentümer einen Beschluss über die Einführung virtueller Eigentümerversammlungen mit Stimmenmehrheit fassen können. Für eine solche Beschlussfassung müsse vielmehr das Erfordernis der Einstimmigkeit im Gesetz verankert werden; dies gebiete der Minderheitenschutz.

Auch wenn die Teilnahme an einer Online-Eigentümerversammlung in der Regel heutzutage nur eine eher geringe technische Hürde aufweise, könnten kapitalschwache, lebensältere oder technikferne Eigentümer mit der Teilnahme an einer Videokonferenz überfordert sein und sich daher nicht in der Lage sehen, an einer virtuellen Eigentümerversammlung teilzunehmen, so der Bundesrat in der Stellungnahme. Hierdurch könnten Eigentümer letztlich aus der Versammlung gedrängt und von einer Teilnahme abgehalten werden. Soweit die Gesetzesbegründung auf die Inanspruchnahme kommerzieller Angebote oder von Nachbarschaftshilfe verweise sowie auf die Möglichkeit, einen Vertreter zu entsenden, sichere dies die Teilnahme- und Stimmrechte nicht in gleich geeigneter Weise. Zur sichereren Gewährleistung der Teilnahme- und Stimmrechte sei es daher erforderlich, Einstimmigkeit vorzusehen oder zumindest eine Regelung zu schaffen, wonach auf Antrag schon eines Eigentümers die Versammlung als hybride Versammlung durchzuführen ist.

Der Rechtsausschuss des Bundesrates wollte sogar noch weitergehen und hatte empfohlen, die Möglichkeit der Einführung virtueller Eigentümerversammlungen komplett abzulehnen. Diese Empfehlung fand im Bundesrat allerdings keine Mehrheit.

 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf

Bundesregierung verteidigt 75-Prozent-Quorum

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag des Bundesrates in ihrer Gegenäußerung ab und verteidigt das geplante 75-Prozent-Quorum. Es bestehe ein praktisches Bedürfnis für virtuelle Eigentümerversammlungen. Einstimmigkeit dürfe in einer Eigentümerversammlung in vielen Fällen nur schwer zu erreichen sein.

Die bisherige Hürde einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer solle gerade gesenkt werden. Mit dem vorgesehenen Quorum von 75 Prozent und der Befristung der Beschlüsse auf drei Jahre werde den Interessen von Wohnungseigentümern, die rein virtuelle Versammlungen nicht befürworten, hinreichend Rechnung getragen. Auch für Wohnungseigentümer ohne die erforderliche Technik oder Digitalkompetenz bestünden diverse Möglichkeiten, an der Versammlung teilzunehmen, etwa Unterstützung durch Verwandte oder Freunde oder eine Teilnahme bei anderen Wohnungseigentümern; sie könnten sich in der Versammlung auch vertreten lassen und so an der Meinungsbildung mitwirken.

Online-Eigentümerversammlung: So soll das Gesetz geändert werden

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, für Wohnungseigentümer und Verwalter eine zusätzliche Möglichkeit einzuführen.  Die bisher schon nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG bestehende Möglichkeit, die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen ("hybride Wohnungseigentümerversammlungen"), soll unverändert bestehen bleiben. Die Wohnungseigentümer sollen künftig die Wahl haben, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen.

Mit dem vorgesehenen Quorum von 75 Prozent der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen werde der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die das Wohnungseigentum typischerweise für viele Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer habe, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die vorgeschlagene Befristung auf drei Jahre verfolge mehrere Zwecke. So sollten Erwerberinnen und Erwerber von Wohnungen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor dem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden werden. Die Befristung trage auch der Tatsache Rechnung, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümer zu virtuellen Versammlungen ändern könne.

Der Entwurf für einen neuen § 23 Abs. 1a WEG im Wortlaut:

"Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein."

Errichtung von Balkonkraftwerken soll einfacher werden

Der Gesetzentwurf, dessen vollständiger Name "Entwurf eines Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen" lautet, sieht neben der Regelung reiner Online-Eigentümerversammlungen auch vor, dass Mieter und Wohnungseigentümer künftig Steckersolargeräte, sogenannte Balkonkraftwerke, leichter errichten können. Diese sollen in die Liste der nach § 20 Abs. 2 WEG privilegierten baulichen Veränderungen, auf die Wohnungseigentümer einen Anspruch haben, aufgenommen werden. Im Mietrecht soll in § 554 Abs. 1 BGB die Aufzählung der baulichen Maßnahmen, auf deren Gestattung Mieter einen Anspruch haben, entsprechend ergänzt werden.

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